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Warten

Studierende des Bachelor- und Masterstudiengangs Keramik
Semesterprojekt | 2009
Keramik

Welchen Ausdruck ein Material bekommen kann, wenn es mehr durch das Verstreichen von Zeit geformt wird denn durch einen schöpferischen Akt war zentrale Frage dieses Studienprojektes.
Ein verspäteter Zug, eine lange Schlange an der Supermarktkasse oder das unendlich scheinende Hochfahren des Computers sind Momente, in denen der Faden unserer effizient genutzten Zeit reißt. Wir müssen warten. Der Verlust von Zeit, vor allem aber die Unmöglichkeit die Dinge zu beschleunigen lassen uns unruhig werden. Dieses Warten ist unangenehm. Aber es gibt auch das andere Warten, das Warten auf ein ersehntes Ereignis. Besonders bei Kindern zeigt sich die Vorfreude auf einen bevorstehenden Geburtstag, das Warten darauf, dass endlich das eintritt, was schon in den schönsten Farben ausgemalt ist. Unser Warten ist demnach vielfältig, mal quält es mal ist es voll kribbelnder Vorfreude.
Mehr noch als durch eine gemeinsame Gemütsverfassung sind die verschiedenen Formen des Wartens dadurch geeint, dass sie Handlungen auslösen. Sei es das Zeichnen halbkreisförmiger Linien in den Schneematsch, während der Zug immer noch nicht kommt oder das einhändige Falten eines Kaugummipapieres in der Jackentasche. Unsere Unruhe lässt uns Dinge tun, auf die wir uns nicht konzentrieren müssen, die sich rein mechanisch vollziehen. Hospitalismus, der in Altenheimen zu beobachten ist, ist die deutlichste Ausprägung davon.
Die Beobachtung der Verknüpfung von Warten und Handlungen war Ausgangspunkt für dieses Projekt, da Warten auch Teil keramischer Arbeitsprozesse ist . Das feuchte keramische Material durchläuft bis zu seiner endgültigen Aushärtung Phasen, in der Nicht- warten-Könnende dem Entstehenden Schaden zufügen. Ton kann in flüssiger Form verarbeitet werden und als plastische Masse, immer aber geht es darum, den richtigen Moment abzuwarten. Daher sollten keramische Materialen ins Zentrum der Experimente über das Warten gestellt werden. Wenn Warten Tätigkeiten erzeugt, können diese eine materielle Manifestierung finden. Welchen Ausdruck ein Material bekommen kann, wenn es mehr durch das Verstreichen von Zeit geformt wird denn durch einen schöpferischen Akt, der ja gemeinhin Ursache von Kunstwerken ist, war zentrale Frage dieses Studienprojektes.
Die Studierenden standen dabei vor einer schweren Herausforderung, denn zu Beginn der Arbeit zeigte sich, dass es nicht darum gehen könne, das Warten im Sinne einer bildlichen Darstellung, zu illustrieren. Die Tätigkeit des Wartens selbst sollte anhand der entstehenden Arbeiten erfahrbar werden. Dazu setzten sich die meisten Studierenden Situationen aus, in denen sie warten mussten. Die Verschiedenartigkeit der individuellen Ansätze, die sich daraus entwickelt haben, ermöglicht die Erfahrung unterschiedlichster Formen des Wartens.
Projektgruppe
Eva Daxl, Elmar Eisenberger, Edgar Rene Friedl,  Isabella Gassner, Sook Park, Rebecca Paterno, Liesa Wenzel, Daniel Wetzelberger

Materialien
Ton, Vitreous China, Grassamen, Tropfvorrichtung, Porzellan uvm.

Zeitraum
WS 2008/09

Betreuung
Univ.-Prof. Frank Louis
Kachelofen für ein Altersheim von Gabriele Gruber-Gisler.
Kachelofen für ein Altersheim von Gabriele Gruber-Gisler.